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the thief of bagdad (ludwig berger/michael powell/tim whelan, großbritannien 1940)

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Eine Reise zurück in die eigene Kindheit: Aus dem Fernsehen aufgenommen, illustrierte dieser Traum in Technicolor das imaginäre, mittelalterliche Persien, das ich aus den Märchen aus 1001 Nacht kannte. Ferne, fremde und magische Orte wie Bagdad (das man heute mit ganz anderen, weniger farbenfrohen Bildern assoziiert) und Basra erhielten plötzlich eine greifbare Gestalt, ohne dabei die eigenen, farbenfrohen Vorstellungen zu entzaubern: Vielmehr bestätigten sie mich in meiner Überzeugung, dort wüchsen prächtige, ornamental verschnörkelte Paläste in den Himmel, überschatteten Straßen, in denen das pure Leben wimmelte wie in einem Ameisenhaufen. Hinter jeder Ecke konnte dort das Abenteuer lauern, ein Händler den ersehnten fliegenden Teppich feilbieten oder vielleicht die Wunderlampe, der dann ein gutmütiger Flaschengeist entweichen würde, um einem drei Wünsche zu erfüllen. Dort konnte man ebenso der wunderschönen Prinzessin in Not begegnen wie dem finsteren Magier, dessen böser Blick ausreichte, um einen mit einem gefährlichen Fluch zu belegen.

Tatsächlich weiß ich gar nicht mehr so genau, was zuerst da war: diese Bilder eines exotischen Persiens als einem Ort der wahr gewordenen Träume, der Abenteuer und Sehnsucht oder aber THE THIEF OF BAGDAD, der als Treibstoff zur Befeuerung der eigenen Fantasie bis heute unübertroffen ist. Das Regie führende Triumvirat – laut IMDb ergänzt durch die  nicht gecrediteten Alexander und Zoltan Korda sowie Wiliam Cameron Menzies – erzählt die komplexe Geschichte als nicht abreißende Abfolge prächtiger Bilder und Set Pieces. Mehr als durch einen narrativen roten Faden wird der Film durch die Vision eines Ortes zusammengehalten, an dem alles möglich ist, alles große, den Horizont erfüllende Emotion, die Grenze zwischen Realität und Traum vollkommen durchlässig. Gegenwart und Vergangenheit verschmilzen zu einem unauflöslichen Zustand der Sehnsucht: Der Film beginnt mit dem blinden Bettler Ahmad (John Justin) und seinem treuen Freund, einem klugen Hund. Doch Ahmad ist, wie er erzählt, eigentlich ein König und der Hund sein Freund Abu (Sabu), ein kleiner, tapferer Dieb. Beide fielen sie einem Fluch des bösen Magiers Jaffar (Contad Veidt) zum Opfer, der den König in den Kerker werfen ließ. Gemeinsam mit dem ebenfalls dort gefangenen Abu gelang ihm die Flucht nach Basra, wo die Liebe zuschlug: Ahmad verliebte sich unsterblich in die Prinzessin (June Duprez), auf die jedoch auch der böse Jaffar ein Auge geworfen hatte. Mit seinem Zauber geschlagen, bemühen sich die beiden Helden, erst ihre menschliche Gestalt zurückzuerlangen, die Prinzessin zu befreien, den Bösewicht zu besiegen und schließlich den Urzustand wiederherzustellen. Dabei begegnen sie einem Djinn (Rex Ingram), nehmen den Kampf mit einer Riesenspinne auf und stellen sich schließlich Jaffar und seiner Armee.

Das Wiedersehen mit THE THIEF OF BAGDAD ist mit Wehmut verbunden. Zum einen darüber, dass sich die Unschuld und Naivität, mit der ich den Filmen vor rund 30 Jahren zum ersten Mal gesehen habe, nicht lückenlos wiederherstellen lässt. Der Zauber wird durch das Wissen um die Gemachtheit des Films gemindert: Wo ich früher den mächtigen Djinn seinem Flaschengefängnis entweichen sah, sehe ich heute Doppelbelichtungen und Rückprojektionen. Größeren Schmerz bereitet aber die Gewissheit, dass es Filme wie diesen nie wieder geben wird. Die Lust an der Farbe, an Welten, die nicht den schnöden Gesetzen der Logik unterworfen sind, ist im heutigen Kino längst einem ernüchternden Zwang zum Realismus und der Authentizität gewichen. Während THE THIEF OF BAGDAD den direkten Weg zum Herzen wählt, müsste er heute den Umweg über das Hirn machen – und würde dabei genau das verlieren, was ihn auszeichnet. Andererseits sollte man diese heutige Perspektive, der man den Film unterzieht, vielleicht auch nicht überschätzen: Auch wenn seine Effekttechnik heute etwas rührend und unzulänglich anmuten mag, so war der Film zu seiner Zeit doch nicht zuletzt ein technischer Triumph. Die schiere Menge unterschiedlichster Effekttechnologie, die darin zum Einsatz kommt, macht THE THIEF OF BAGDAD zu einem Vorfahren von Kubricks 2001. Beide haben, was Spezialeffektkunst im prädigitalen Zeitalter angeht, enzyklopädischen Charakter.



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